Facilitation beginnt mit Rückzug

Warum die besten Workshops die sind, in denen ich am wenigsten tue.
Die besten Workshops sind die, in denen ich am wenigsten zu tun habe. Das mag überraschend klingen, schliesslich bin ich als Facilitator dafür da, Gruppen zu begleiten, Impulse zu geben und Ergebnisse zu ermöglichen. Doch nach vielen Jahren mit LEGO® SERIOUS PLAY® habe ich gelernt: Wahre Facilitation entsteht nicht durch Kontrolle, sondern durch Vertrauen.
Viele verwechseln Facilitation mit Moderation. Sie glauben, sie müssten die Gruppe permanent führen, fast wie in der Schule. Ich sehe das anders.
Was Facilitation wirklich bedeutet
Facilitation ist für mich die Kunst, Räume zu schaffen, in denen Menschen selbst ins Gestalten kommen. Ich gebe den Prozessrahmen, stelle gezielte Fragen, und dann trete ich bewusst zurück.
Es ist ein Balanceakt: genug Struktur geben, um Sicherheit zu schaffen und gleichzeitig genug Raum lassen, damit Kreativität und Eigenverantwortung entstehen können.
Im Laufe der Zeit habe ich drei zentrale Positionen im Raum entwickelt, die mir helfen, dieses Gleichgewicht zu halten.
Die drei Positionen im Raum
Position 1️⃣: Am Tisch
Ich bin Teil der Gruppe, gebe Impulse, leite an und beobachte. Diese Position hilft beim Einstieg, beim Aufbau von Vertrauen und beim Einführen der Methode.
Position 2️⃣: Zwei Schritte entfernt
Ich ziehe mich etwas zurück. Die Gruppe arbeitet eigenständig, weiss aber, dass ich präsent bin. Mein Blick bleibt aufmerksam, meine Präsenz spürbar. Diese Position zeigt: Ihr könnt das, ich bin da, falls ihr mich braucht.
Position 3️⃣: Vier bis sechs Schritte entfernt
Ich trete in den Hintergrund und halte den Raum aus der Distanz. In diesem Moment passiert die Magie.
Die Gruppe findet ihren eigenen Rhythmus, entwickelt Energie und beginnt, selbst Verantwortung für das Geschehen zu übernehmen.
Das ist für mich der Punkt, an dem Facilitation ihren wahren Wert zeigt: Wenn ich nichts mehr „machen" muss, und trotzdem alles passiert.
Der ultimative Test
Ein Moment, den ich liebe, ist der Test: Ich verlasse kurz den Raum. Wenn die Gruppe im gleichen Flow weitermacht, weiss ich, dass sie stabil ist.
Wenn die Energie zusammenfällt, ist der Prozess noch nicht dort. Dieser kleine Test zeigt mir, ob die Gruppe wirklich im eigenen Denken und Handeln angekommen ist.
Der LEGO® SERIOUS PLAY®-Moment
In Workshops mit LEGO® SERIOUS PLAY® erlebe ich das besonders deutlich.
Wenn Diskussionen emotional werden oder sich verlieren, greife ich nicht mit Argumenten ein. Stattdessen stelle ich nur eine einfache Frage:
„Wo sehen wir das im Modell?"
Und fast augenblicklich verändert sich die Atmosphäre.
Die Energie richtet sich wieder auf das Sichtbare - auf das Modell auf dem Tisch. Es ist, als würde das Gespräch in einen ruhigeren, konstruktiveren Fluss zurückfinden. Die Teilnehmenden sehen wieder das gemeinsame Ziel vor sich.
Facilitation als Haltung
Für mich bedeutet Facilitation, Vertrauen zu haben: in den Prozess, in die Menschen und in die Kraft des Raums, der entsteht, wenn man Kontrolle loslässt.
Ich schaffe einen Rahmen, der sicher genug ist, um mutig zu denken, und offen genug, um Überraschungen zuzulassen.
In diesen Momenten entstehen die besten Ergebnisse:
- Wenn Menschen ehrlich werden.
- Wenn sich Diskussionen öffnen.
- Wenn die Gruppe selbst trägt.
Facilitation ist für mich kein Werkzeug, sondern eine Haltung. Eine, die Geduld braucht und die Bereitschaft, im entscheidenden Moment still zu werden.
Denn die Magie entsteht genau dort:
Im Abstand.
👉 Wann hast du zuletzt erlebt, dass eine Gruppe ihren eigenen Flow gefunden hat?